Samstag, 8. September 2012

Mein Gott, Alter!


Mein Gott, Alter!
Clint Eastwood unterstützt Mitt Romney. Warum nur?

Als Hollywood-Legende Clint Eastwood auf dem Konvent der Republikanischen Partei in Tampa (Florida) kürzlich für den Präsidentschaftskandidaten Mitt Romney Partei ergriff, indem er mit einem Stuhl sprach, war ich doch einigermaßen fassungslos. Eastwood war schon 2008 John McCain im Wahlkampf gegen Barack Obama zur Seite gesprungen. Der „Pale Rider“ und frühere „Dirty-Harry“-Darsteller war im Gegensatz zu George Clooney, Brad Pitt oder Barbara Streisand niemals dem notorisch liberalen Hollywood-Lager zuzurechnen, sondern ist seit Jahrzehnten Anhänger der „Grand Old Party“. 

Aber dieser Auftritt, in dem Eastwood zu einem imaginären Obama sprach, besser gesagt zu einem leeren Stuhl, auf dem offenkundig der Präsident sitzen sollte, war doch einigermaßen surreal, um nicht zu sagen bizarr. Eastwood überschüttete den amtierenden Präsidenten dabei mit Vorwürfen und nicht gehaltenen Wahlkampfversprechen und konfrontierte ihn zudem mit Fragen, die der ein oder andere Wähler so wohl auch hätte stellen können. Wenn er denn zugegen gewesen wäre, wie Mr. President himself, der allerdings auch nur imaginiert war, aber das hatten wir ja eben schon. Die inszenierte Schauspieleinlage, unterbrochen von frenetischem Applaus der Delegierten, war bestes, absurdes Parteitagstheater und wurde von Eastwood mit seinem berühmtem „Make my day!“ abgeschlossen.   

Eastwood präsentierte sich in Tampa nicht nur sichtlich gealtert (okay, der Mann ist mittlerweile 82!), sondern auch alles andere als souverän; er agierte fahrig, sprach mit dünner Stimme und wirkte einigermaßen unentspannt. So, als ob ihm das zweifelhafte Engagement für den roboterhaften Romney selbst nicht ganz geheuer wäre und ihm bei seiner allmählichen Verfertigung der Gedanken beim Reden erst klar geworden war, in was für einen Schlamassel er sich soeben begeben hat. Ganz freiwillig und ohne Not. Mein Gott, Alter! Wie konnte es nur soweit kommen?

War Eastwood nicht seit Kinderzeiten auch meine Ikone und fester Bestandteil einer ebenso ungezügelten wie ungelebten Westernheldphantasie, die „Für eine Handvoll Dollar“ in gefühlten einhundert Spaghettiwestern den einsamen Reiter mimte? Hatte er nicht mit der Dirty-Harry-Reihe einen ganz neuen Typus des zeitgemäßen 70er-Jahre-Cops kreiert, der stilbildend und brutal ein ganzes Genre prägen sollte? War er nicht in seiner zweiten Karriere als Regisseur, Drehbuchautor und Filmkomponist noch kreativer, grandioser und erfolgreicher? Und hatte er nicht  in dem Streifen „Zwei glorreiche Halunken“ den Satz aller Sätze aller Western aller Zeiten ausgesprochen?  

Seit den früheren 90er Jahren hat Eastwood als Regisseur einen herausragenden Film nach dem anderen inszeniert. Er hat dabei ein unnachahmliches Gefühl für Geschichten, Charaktere, Einstellungen und Dramatik entwickelt. Ich gebe es zu: „Die Brücken am Fluss“ hat auch mich zutiefst berührt; kein Liebesfilm hat es je vermocht, mich derart nachhaltig zu beeindrucken. Und bei kaum einem Film der letzten Jahre war die Schlusspointe so konsequent gegen den eigenen Ruf des Hauptdarstellers gesetzt wie in „Gran Torino“, als sich der zweifache Oscar-Preisträger - entgegen seinem Image - als krebskranker Haudegen unbewaffnet einer gemeingefährlichen Gang entgegenstellt und daraufhin erschossen wird. Fabelhaft.

Clint Eastwood hätte es dabei bewenden lassen sollen, die Parteinahme für Romney hat ganz sicher seinem Ansehen nicht genützt. Ob sie ihm geschadet hat? Man wird sehen. Seine Filme werden bleiben, die politische Parteinahme irgendwann vergessen sein. Wenn Künstler und Prominente sich politisch äußern ist man nicht selten peinlich berührt. Was soll das auch? Es nützt Niemandem und zerstört im schlimmsten Fall die Reputation und das mühsam erworbene Image des Stars. Und natürlich das Bild, das man sich als Zuschauer und Fan ebenso mühselig über die Jahre hinweg erarbeitet hat. Denn von nun an sitzt in jedem Eastwood-Western irgendwie auch immer Romney mit(t) im Sattel. Bleibt noch der Satz der Sätze nachzureichen, von dem man sich wünscht, Eastwood hätte ihn - an Romney gerichtet - ausgesprochen: In „Zwei glorreiche Halunken“ raunt Eastwood seinem Widerpart Eli Wallach zu, als er diesem einen seiner legendären Zigarillos anbietet: „Mach ein paar kräftige Züge, dann kannst du gut kacken!“ 



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