Freitag, 5. Oktober 2012

Zurzeit kein Zoff beim Liga-Dino


Zurzeit kein Zoff beim Liga-Dino
Zum HSV-Jubiläum herrscht an der Elbe eitel Sonnenschein. Wie lange noch?

Als der Hamburger Sport Verein (HSV) am vergangenen Samstag seinen 125. Geburtstag mit einer großen Gala feierte, herrschte allerorten eitel Sonnenschein. Der Club hat den sportlichen Fehlstart mit drei Niederlagen in Folge rechtzeitig zum Jubiläum vergessen machen können: Nach der spektakulären Verpflichtung des Niederländers Rafael van der Vaart und zwei Siegen gegen Dortmund und Hannover, scheint der Absturz in den Tabellenkeller der Liga vorerst abgewendet. 

Dabei fing die neue Saison beim HSV genauso desaströs an, wie die alte aufgehört hatte, ein sportlicher Fortschritt war nicht zu erkennen. Nachdem in der vergangenen Saison der Abstieg des Traditionsclubs mit Ach und Krach verhindert werden konnte, schien die aktuelle Spielzeit diesen Weg fortzusetzen, der doch für viele HSV-Anhänger aus der ganzen Republik undenkbar erscheint: der direkte Absturz in Liga Zwei. Herzlich Willkommen in Regensburg, Aue, oder, noch schlimmer Sandhausen! 

Dabei ist der HSV der einzige Verein der Bundesliga, der dem Oberhaus der deutschen Fußballelite ununterbrochen angehört - seit der Saison 1963/64. In der Ewigen Tabelle der Liga steht der Club sogar auf dem dritten Tabellenplatz. Sechs Meisterschaften, drei Pokalsiege, der Gewinn im Europapokal der Pokalsieger 1977 und schließlich der Triumph in der Champions League gegen Juventus Turin 1983 sind Meilensteine der HSV-Historie, die u.a. von Legenden wie Uwe Seeler und Charly Dörfel geschrieben wurde. 

Meine persönliche Fußball-Sozialisation und Begeisterung für den HSV begann Ende der Siebziger Jahre als Spieler wie Kevin Keegan, Felix Magath, Manfred Kaltz und natürlich Horst Hrubesch, das blonde Kopfballungeheuer, eine ganze Ära prägten und insgesamt drei Meisterschaften einfuhren. Unvergessen ist Kaltz‘ legendäre „Bananenflanke“ direkt auf den Schädel von Hrubesch, der diesen äußerst erfolgreich wiederholten Spielzug lakonisch mit den Worten kommentierte: „Manni Bananenflanke, ich Kopf - Tor!“

In den vergangenen Jahren war der HSV allerdings nicht mehr sonderlich erfolgreich, der letzte Titelgewinn datiert aus dem Jahr 1987. Als treuer Anhänger der Raute musste ich mir in der Diaspora des Ruhrgebiets natürlich oft Hohn und Spott gefallen lassen, nicht selten verbunden mit dem Hinweis, warum ich nicht Fan des FC St. Pauli sei. Denn Pauli würde doch - rein lebensweltlich betrachtet und vom soziokulturellen Milieu - viel besser zu mir passen als der noble Elite-Club von der Elbe mit all seinen versnobten Pfeffersäcken, Wichtigtuern und Bonzen.

Ach je, was soll man denn darauf antworten? Vielleicht folgendes: Einen Verein sucht man sich nicht einfach so aus wie einen Gebrauchtwagen, der Verein sucht dich aus. Man wählt seinen Club nicht nach hippen Coolness - Kriterien und favorisiert dann den gerade angesagtesten oder erfolgreichsten Verein. Oder etwa doch? Im Fußball geht es zuweilen wie im richtigen Leben zu - wie in der Liebe - es trifft einen ganz unverhofft und macht plötzlich „peng“. Allerdings ist der Honeymoon der frühen Jahre nicht selten schnell verflogen und Alltagsfrust und Gewöhnung halten Einzug. 

So auch beim HSV: Anspruch und Wirklichkeit klaffen wie bei kaum einem anderen Bundesligisten weit auseinander. Der Verein sieht sich selbst in einer Liga mit dem FC Bayern München und träumt nur allzu gern vom europäischen Wettbewerb; gegenwärtig ist der HSV allerdings kein sonderlich souverän geführter Club. Häufige Trainer-Wechsel, hohe Schulden und ein sportliches Konzept, welches sich erst noch beweisen muss, sind die größten Baustellen. Pünktlich zum Jubiläum herrscht beim Dino der Liga zur Abwechslung zwar kein Zoff. Fragt sich nur, wie lange.

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