Sonntag, 4. November 2012

Kein Wahlrecht hinter Gittern


Kein Wahlrecht hinter Gittern
Von der US-Präsidentschaftswahl sind über 2 Millionen Menschen ausgeschlossen

Der amtierende US-Präsident Barack Obama und sein republikanischer Herausforderer Mitt Romney haben sich im zurückliegenden Wahlkampf nichts geschenkt. Bis zum Wahltag haben sie sich physisch bis zur Erschöpfung verausgabt, die noch unsicheren "Swing States" bereist, TV-Duelle absolviert, Tausende Helfer im ganzen Land mobilisiert und millionenschwere Werbekampagnen finanziert. 

Da die US-Wahl diesmal äußerst knapp ausfallen dürfte, haben beide Bewerber auch in den entlegensten Landesteilen buchstäblich um jede Stimme gekämpft. Um jede? Nein, das wohl doch nicht. Es gibt ein nicht unerhebliches Wählerreservoir in den Vereinigten Staaten, welches von vornherein weder von Demokraten noch von Republikanern umworben wird: Die Wählergruppe der Strafgefangenen.

Es klingt unglaublich, ist aber doch bittere Realität: Wer auch immer am kommenden Dienstag die Präsidentschaftswahl für sich entscheidet, wird ohne die Stimmen von rund 2,3 Millionen eigentlich wahlberechtigten US-Bürgern auskommen müssen. Denn diese haben zumeist dauerhaft ihr Wahlrecht verloren weil sie straffällig geworden sind und in einem der vielen Gefängnisse des Landes einsitzen. 

Wer einmal strafbar geworden ist, verliert gemäß den Wahlgesetzen in den meisten Bundesstaaten automatisch das aktive und passive Wahlrecht, kann also weder gewählt werden noch selber wählen. Das gilt insbesondere für die Angehörigen von Minderheiten in den USA, zu denen vor allem Schwarze und Latinos zählen, die besonders häufig Haftstrafen verbüßen und die deutliche Mehrheit der Delinquenten stellen.   

Besonders die Schwarzen sind mit einem Anteil von nur 13 Prozent an der Gesamtbevölkerung überproportional oft straffällig und stellen allein die Hälfte aller Strafgefangenen des Landes. Dem Strafvollzug in den USA ist anders als hierzulande der Gedanke einer Resozialisierung und Wiedereingliederung von Straftätern allerdings weitgehend fremd: Ein Prozent der Gesamtbevölkerung sitzt dort gegenwärtig hinter Gittern!

Die USA sind damit - neben China - das Land mit der weltweit höchsten Inhaftierungsrate. Das Wahlrecht galt in den Vereinigten Staaten einst als eines der vornehmsten Grund- und Bürgerrechte überhaupt; für Gefangene gilt das längst nicht mehr. Dabei bedeutet Wählen über die Machtverhältnisse im Staat mitzubestimmen und Einfluss auf die Geschicke des Landes zu nehmen. Dieses Recht sollte grundsätzlich jedem Wahlberechtigten dauerhaft zustehen. 

Zahlreiche Bundesstaaten in den USA haben zuletzt allerdings ihre Wahlgesetze geändert; eine Stimmabgabe sollte insbesondere in einigen Staaten des Südens nur noch mit einem Personalausweis möglich sein. Da Arme und Minderheiten oft jedoch nicht über gültige Papiere verfügen, sollten sie auf diese Weise offenkundig vom Wählen abgehalten werden, um die demokratische Wählerschaft weiter zu dezimieren.  

Dieses Vorgehen zeigt: Bestimmte Wählergruppen in den USA werden konsequent und systematisch vom Wahlrecht ausgesperrt. Da die meisten dieser Ausgeschlossenen wohl für die Demokraten stimmen würden, führt die Nichtgewährung des Wahlrechtes für Strafgefangene zu einer Verzerrung der Wahl. Die Entrechtung von Millionen wirft einen dunklen Schatten auf den gegenwärtigen Zustand der Demokratie in den USA. Das "Land der unbegrenzten Möglichkeiten" ist leider viel zu oft auch das Land der ungeheuerlichsten Ungerechtigkeiten.  

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