Freitag, 23. November 2012

Quo vadis, Harald Schmidt?



Quo vadis, Harald Schmidt?
Der begnadete Entertainer erzielt auf Sky derzeit Einschaltquoten von 0,0 Prozent

März 1999: Oskar Lafontaine war soeben von allen Ämtern zurückgetreten und gab einige Tage darauf vor seinem Haus in Saarbrücken einer Pressemeute ein erstes Interview – mit Sohn Carl-Maurice auf den Schultern, von dem allerdings zumeist nur die Beine zu sehen waren. Soweit, so schlimm. Was folgte war einer der vielleicht genialsten Auftritte im deutschen Fernsehen. Denn Harald Schmidt moderierte einige Tage später eine ganze Sendung im Stile Lafontaines: mit einem um den Hals geschlungenen Huckepack-Unterleib vom Typ „Carl-Maurice“. Großartig.

Schmidt, der seine TV-Karriere mit Sendungen wie „Maz ab!“, „Pssst“ und „Verstehen Sie Spaß?“ begonnen hatte, war der erste Moderator, der mit der „Harald-Schmidt-Show“ das Late-Night-Format im deutschen Fernsehen fest etablierte. Nach seinem Wechsel von der ARD zu Sat.1 im vergangenen Jahr wurde er dort im Frühjahr wegen schlechter Quoten geschasst, um fortan seine Sendung exklusiv für den Pay-TV-Sender Sky zu produzieren. Auf Sky erreichte seine Sendung zuletzt nur wenige Tausend Zuschauer: Der Marktanteil lag bei kaum messbaren 0,0 Prozent!

Welch ein Abstieg aus dem Olymp der Fernsehunterhaltung – nach zwanzig Jahren ununterbrochener Marktführerschaft im TV-Segment des schwarzen Humors. Dabei war es der geniale Parodist Schmidt, der das Genre nicht selten an seine absurden Grenzen geführt hatte. So moderierte Schmidt einmal eine ganze Show mit dem Rücken zum Publikum und bestritt eine andere Sendung komplett in französischer Sprache. Unvergessen bleibt auch das Interview mit der „Schauspielerin“ Jessica Stockmann, die entnervt die Sendung verließ, nachdem Schmidt sie wiederholt und ausschließlich auf ihren damaligen Ehemann Michael Stich angesprochen hatte.
                      
Wer außer Schmidt hätte ungestraft als Adolf Hitler verkleidet in Uniform - und somit ganz Bruno Ganz - vor dem Wiedererstarken des Nationalsozialismus mit den Worten „Wehrrret den Anfängen! Ich weiß, wovon ich rrrede!“ warnen können? Wer sonst außer Schmidt hätte die quasi-intellektuelle „Playmobil-Literaturwerkstatt“ aus der Taufe heben können, in der kammerspielartig Ereignisse aus Geschichte und Weltliteratur auf höchstem Niveau abgehandelt wurden? Und wer sonst außer Schmidt hätte sich all die anderen Fernseheskapaden leisten dürfen, die einen wohldosierten Kontrapunkt zum verhassten „Unterschichtenfernsehen“ darstellten?

Ein Harald Schmidt in Hochform war in den vergangenen Jahren allerdings immer seltener auszumachen: Schmidt und das Late-Night-Format haben sich zusehends totgelaufen – zu durchschnittlich, zu lustlos präsentierte sich der große Satiriker allzu oft. Im Laufe der Zeit schwand sein Nimbus und man hatte nicht mehr das Gefühl etwas verpasst zu haben, wenn man Schmidt einmal verpasst hatte. Zuletzt war dem Lästermaul offenkundig die subversive Kreativität abhandengekommen, die ihn einst zum Liebling des Feuilletons hat werden lassen; der allmähliche Bedeutungsverlust Schmidts war kaum zu übersehen.

Schmidts genialer Sinn für Nonsens, seine berüchtigte Spontaneität sowie seine konsequente Absage an jedwede Form der political correctness haben „Dirty Harry“ zum Erzieher meiner Generation gemacht. Schmidts großes Verdienst besteht vor allem darin, Ironie und Sarkasmus im bräsigen TV-Einerlei eine Stimme gegeben zu haben. Den Wechsel zum Bezahlsender Sky kommentierte Schmidt zuletzt wie folgt: „Ich bin wie Griechenland! Wenn ihr dieses wertvolle kulturelle Erbe retten wollt, müsst ihr zahlen!“ Mal sehen, wie viele Schmidt-Fans diesem Aufruf Folge leisten.


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