Donnerstag, 29. November 2012

Ich poste, also bin ich


Ich poste, also bin ich
Kritische Anmerkungen zu einem Facebook-Phänomen

Ich gebe es zu. Ja, ich gestehe: Auch ich besitze mittlerweile ein persönliches Facebook-Profil und bin damit Teil des größten sozialen Netzwerkes der Welt. Und auch ich habe dort schon mal Unsinn und Belanglosigkeiten gepostet. Was dort in der Rubrik „Statusmeldungen“ zuweilen von dem einen oder anderen Zeitgenossen so alles veröffentlicht wird, übersteigt jedoch meine individuelle Banalitässchmerzgrenze um ein Vielfaches.

„Sitze grade im Biergarten und trinke ein leckeres Weizen!“ „Mir doch egal“, möchte man dazwischenrufen. „Unterwegs nach Dortmund, hui – ist das kalt heut!“ „Zieh dir was über,“ denkt man „oder bleib zuhause.“ „Treffe mich gleich mit Meike zum Shopping in der Stadt!“ „Vergiss die Gold Card von Vatti nicht“ entgegne ich im Geiste. Okay, die Statusmeldung bei Facebook ist dafür eingerichtet, dass man das, was man gerade tut, den anderen in Form eines Posts mehr oder weniger öffentlich mitteilt.

Aber wen interessieren all die banalen, digitalen Wasserstandsmeldungen, welche die wirklich originellen und witzigen Posts in einem Meer ermüdender Geschwätzigkeit eiskalt ertränken? Offenkundig ist kaum eine Handlung zu banal, um nicht als Statusmeldung und Teil der Facebook-Chronik eine quasi-posthume und damit ewige Würdigung zu erlangen. So manch ein Post auf Facebook kommt einem denn auch wie der virtuelle Tag eines Sprayers vor, der, einem Köter gleich, die Hauswand markiert um sein Revier abzugrenzen. 
                   
Offenkundig entspricht der weitverbreitete, permanente Drang, das aktuelle Treiben und Tun zu veröffentlichen, einem gesellschaftlichen Grundbedürfnis nach Aufmerksamkeit sowie einem frühkindlichen Wunsch nach Anteilnahme. Wenn alles und jedes, ohne Filter gepostet und zum Ereignis in Echtzeit hochgepusht wird, erstarrt das Posten selbst zum ritualisierten Pseudoereignis und leeren Event. Die Banalisierung des Alltags gleicht dabei nicht selten einer inhaltslosen Dampfplauderei.

Der ständige Zwang wahrgenommen zu werden wird dabei durch die modernen Smartphones begünstigt. Auch der allergrößte Unsinn kann mit einem internetfähigen Handy in Echtzeit von unterwegs freigesetzt werden. Das gilt insbesondere für die vielfach noch banaleren, weil kürzeren Tweets via Twitter. Das Bedürfnis, kontinuierlich virtuelle Lebenszeichen abzusondern, entspricht offenkundig der Angst, für tot gehalten zu werden, sobald nicht permanent eine aktuelle Statusmeldung rausgehauen wird.

Aus dieser Perspektive gerät der Satz „Ich poste, also bin ich“ zum „cogito ergo sum“ („Ich denke, also bin ich“) unserer Zeit: Er ist die Maxime der virtuellen Selbstdarsteller der Post(s)moderne. Wobei die einzelnen Posts oder Tweets mit Denken im engeren Sinne meist nicht viel zu tun haben - leider. Dabei ist weniger meistens mehr - das gilt im Besonderen für die Nutzung von Facebook und Twitter. Ich für meinen Teil werde mich daran halten. Versprochen.


Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen