Samstag, 16. Februar 2013

Europa und das liebe Vieh


Europa und das liebe Vieh
Der jüngst verabschiedete EU-Haushalt ist vor allem eins: ein Agrarhaushalt

Knapp eine Billion Euro. Soviel Geld sieht der Finanzrahmen der Europäischen Union vor, um das gemeinsame Budget für den Zeitraum 2014 bis 2020 zu bestreiten. Der EU-Haushalt wurde letzte Woche nach einem mehrstündigen Verhandlungsmarathon der Staats- und Regierungschefs in Brüssel verabschiedet.

Erstaunlich ist in diesem Zusammenhang aber weder die Höhe des EU-Budgets, um das bis zuletzt gerungen wurde, noch die Tatsache, dass man sich überhaupt irgendwann geeinigt hatte. Erstaunlich ist vor allem, dass die Landwirtschaft einmal mehr den mit Abstand größten Einzelposten im Haushalt der EU markiert.

Denn trotz Einsparungen und Deckelungen in vielen anderen Ressorts kommt der Bereich der Landwirtschaft weitgehend ungeschoren davon. Der Agrarbereich macht zwar nur zwei Prozent der europäischen Wirtschaftsleistung aus, er nimmt aber fast 40 Prozent des EU-Haushaltes in Anspruch - ein geradezu groteskes Missverhältnis.

Die Agrarsubventionen, die allein für das Jahr 2013 rund 58 Milliarden Euro betragen, sind zwar immer wieder Gegenstand von Diskussion und Kritik. Grundsätzlich wurden diese Hilfen aber auch diesmal nicht in Frage gestellt. Zu einer grundlegenden Strukturreform fehlten erneut Wille und politischer Mut.

Dabei wirken die EU-Subventionen für die Landwirtschaft wie aus der Zeit gefallen, sie sind das Relikt einer längst untergegangenen Epoche. Die Beharrungskräfte des alten Systems sind allerdings groß, denn kaum ein Berufsstand ist besser organisiert als die Bauernschaft. Vor allem in Frankreich und Deutschland geht gegen die mächtige Agrarlobby nichts.

Das Höfesterben konnte aber auch durch die Subventionspolitik nicht aufgehalten werden. Ein deutscher Hof erhält im Jahr derzeit rund 319 Euro pro Hektar ohne jede Auflage; insbesondere kleinere Betriebe ringen um ihre Existenz. Viele Bauern müssten ihre Höfe ohne die Zahlung von Subventionen wohl aufgeben.

Dass aber Agrarfabriken und Lebensmittelkonzerne in der Vergangenheit den Löwenanteil der EU-Fördermittel erhielten ist indes kaum nachzuvollziehen. Große Agrarbetriebe, die nicht gerade für umweltgerechte Erzeugnisse bekannt sind, profitieren von einer Förderpraxis, welche die intensive, industrialisierte Landwirtschaft begünstigt.

Die heutigen Direktzahlungen an bäuerliche Betriebe sollten daher an geringere Betriebsgrößen, Bedürftigkeit, Umweltauflagen und Tierschutzstandards gekoppelt werden. Auf diese Weise kämen Agrarfabriken, Großbauern und die Lebensmittelindustrie nicht länger in den Genuss steuerfinanzierter Subventionen.

Die dafür freigeräumten Mittel könnten den chronisch unterfinanzierten Bereichen Bildung und Wissenschaft zur Verfügung gestellt werden, die gegenwärtig nicht einmal ein Viertel der Gelder des Agrarhaushalts erhalten. Und das, obwohl gerade Bildungsausgaben sinnvolle Investitionen in die Zukunft eines Landes darstellen.

„Kinder statt Kühe“ sollte daher der Wahlspruch des modernen Europa sein!

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