Sonntag, 26. Mai 2013

Absolute Beginner


Absolute Beginner
Kaum zu glauben: Über zwei Millionen Deutsche hatten noch nie eine Beziehung

Die Absoluten Beginner, die sich seit 2003 Beginner nennen, sind eine angesagte Hip-Hop-Band aus Hamburg. Von der soll hier allerdings nicht die Rede sein. Vielmehr geht es um Menschen, die noch nie eine Beziehung zu einem anderen Menschen hatten und über keinerlei sexuelle Erfahrung verfügen: Absolute Beginner. Diese machen es den katholischen Priestern gleich und leben unfreiwillig zölibatär.

Nun ist zunächst jeder in Punkto Liebe, Beziehung und Sexualität ein unerfahrener Novize, Niemand kommt mit Beziehungserfahrung auf die Welt. Mit der Pubertät, spätestens als Heranwachsender macht der „Normalbürger“ dann aber seine Erfahrungen und hat irgendwann die erste Beziehung. Die nun angelaufene Dokumentation „Love Alien“ behandelt erstmals das Phänomen der Beginner im Kino.

Beginner, das impliziert schon der Name, stehen am Anfang: ihr Beziehungsleben hat noch nicht begonnen. Studien haben zutage gefördert, dass bis zu zwei Millionen Deutsche noch nie eine Beziehung hatten. Offenkundig findet - anders als der Volksmund behauptet - doch nicht jeder Deckel seinen Topf. Die Gründe, sich zum Beginner oder Love Alien zu entwickeln, sind vielfältig und vielschichtig. 

So können Erziehung, Schüchternheit, mangelndes Selbstbewusstsein, Minderwertigkeitsgefühle, Kontaktschwierigkeiten aber auch körperliche Defizite eine Rolle spielen. Auch das Aussehen ist heute enorm wichtig, denn wer bestimmten Mindestanforderungen nicht entspricht und wie ein Hornochse ausschaut, hat es in einer Gesellschaft, die Schönheit und Attraktivität verabsolutiert, schwer.

Viele Menschen stehen ihrem Glück aber auch selbst im Weg. Sobald sie einander gegenüberstehen, werden die übergroßen Erwartungshaltungen an einen möglichen Partner nicht selten wie auf einer Checkliste abgeglichen. Liegt die Messlatte zu hoch, verwundert es nicht, dass sich die Suche schwierig gestaltet und zuweilen nie gelingt. Manche Beginner bleiben daher auf ewig nur Zaungäste der Zweisamkeit.

Viele Beginner werden zudem von Bindungsängsten geplagt; aus der Angst vor dem möglichen Verlust eines Partners gehen sie erst gar keine Beziehung ein. Da Beziehungslosigkeit und sexuelle Unerfahrenheit bei Erwachsenen ein gesellschaftliches Tabu darstellen, trauen sich nur die wenigsten Betroffenen offen über ihre Problematik zu sprechen.

Beginner tauschen sich allenfalls im geschützten Raum der Internetforen aus, wo sie sich unter Gleichgesinnten wähnen und keinen Spott fürchten müssen. Das Leben gleicht einem Griff in die Lostrommel - Nieten und Hauptgewinne sind ungleich verteilt. Manche Menschen können sich vor Verehrern kaum retten, haben unzählige Beziehungen und diverse Techtelmechtel, andere wiederum bleiben ewig ungeküsst.

„Ist es eine Komödie? Ist es eine Tragödie?“ heißt ein Einzelgängerdrama Thomas Bernhards. Die Gestalt des Love Aliens trägt sicher ebenso tragische wie komische Züge in sich. Thomas Bernhard blieb übrigens auch sein Leben lang ein Absoluter Beginner - aus Überzeugung und Menschenhass. Ganz nebenbei schuf er ein literarisches Werk von Weltrang. Wenn das mal kein Trost für alle Beginner ist...

Donnerstag, 16. Mai 2013

Autokomplett - nicht immer nett


Autokomplett - nicht immer nett
Steht nach dem BGH-Urteil Googles Autocomplete-Funktion vor dem Aus?

Das Internet kann so unglaublich praktisch sein. Man sucht etwas, gibt die ersten Buchstaben in Googles-Suchmaske ein, und - siehe da - die Autocomplete-Funktion der Suchmaschine ergänzt die fehlenden Buchstaben und Wörter ganz automatisch. Googles Autocomplete vervollständigt Suchworteingaben in Sekundenbruchteilen und stellt zusätzlich eine Stichwortergänzung zur Verfügung.

Das spart Zeit beim Eintippen der Wörter. Und auf die Rechtschreibung muss man auch nicht unbedingt achten, Google wird’s schon richten! Gibt man beispielweise den Anfang des Gedichtes „Wem Gott will rechte Gunst erweisen“ ein, vervollständigt Google schon nach Eingabe der ersten fünf Buchstaben „Wem Go“ den korrekten Titel des Eichendorff-Liedes. Das ist die eine, die gute Seite von Autocomplete.

Die andere Seite hat mit Gerüchten, übler Nachrede oder auch schlichten Unwahrheiten zu tun. Beispiel Bettina Wulff: Gibt man den Namen der Ex-Gattin des Ex-Bundespräsidenten in die Suchmaschine ein, erhält man bis heute die Stichwortergänzung „Rotlicht“. Bettina Wulff musste über Jahre einen beispiellosen Internet-Rufmord über sich ergehen lassen, den das Netz bis heute nicht vergessen hat.

                                            Die Autocomplete-Funktion im Fall von Bettina Wulff

Doch damit dürfte es nach einem Urteil des Bundesgerichtshofes (BGH) vom Dienstag dieser Woche möglicherweise bald vorbei sein. Denn das Gericht stärkte die Rechte der Betroffenen: Google und andere Suchmaschinen müssen demnach die Wortergänzungen aus der automatischen Vervollständigungsfunktion auf Antrag der Betroffenen streichen, sofern Persönlichkeitsrechte verletzt werden.

Nun ist die eigentlich ja sehr praktische Autocomplete-Funktion von sich aus nicht auf Kolportage, Krawall oder Denunziation aus. Der Algorithmus der Suchmaschine reagiert weitgehend objektiv auf bisher erfolgte Eingaben und stellt häufige Suchergebnisse anderer Internetnutzer als Vorschlag bereit. Googles Algorithmus richtet sich dabei in erster Linie nach der Häufigkeit der eingegebenen Suchbegriffe.

Gerüchte und Lügen fallen damit weniger auf Google zurück als vielmehr auf die Millionen Nutzer des Online-Dienstes und ihre z.T. dubiosen Suchanfragen. Es müssen Tausende Recherchen der Kategorie „Manuel Neuer schwul“ existieren, denn die Suchmaschine schlägt diese Erweiterung seit jeher vor. Google sperrt andererseits Ergänzungen, die sich um Gewalt, Pornographie und so genannte Hassreden drehen.

Insbesondere beim Thema Sex verhält sich die Suchmaschine zuweilen puritanisch. Während der Fußballer Manuel Neuer mit dem Gerücht leben muss, er sei schwul, ist die Autocomplete-Funktion für seinen früheren Mannschaftkollegen und Ex-Torwart des FC Bayern, Hans-Jörg Butt, deaktiviert. Der simple Grund: „Butt“ entspricht dem englischen „butt“ was „Hintern“ oder „Po“ bedeutet. Da kriegt Google rote Ohren und stellt sich taub.

Das Urteil des BGH jedenfalls dürfte dafür sorgen, dass Betroffene nicht mehr länger mit verleumderischen Suchwortergänzungen leben müssen. Google könnte nun die Autocomplete-Funktion ganz abschalten oder teilweise aussetzen. Dann müsste sich die Suchmaschine auch nicht mehr mit Wortergänzungen wie „Google ist ne Missgeburt“ herumärgern. Was auch schade wäre. Irgendwie. 

Samstag, 11. Mai 2013

Rot-grüner Wahlkrampf


Rot-grüner Wahlkrampf
Pannen, Steuererhöhungen, Tempolimit: Will Rot-Grün etwa so die Wahl gewinnen?

Peer Steinbrück hatte als SPD-Kanzlerkandidat keinen guten Start. Die Affäre um seine ebenso rege wie gut dotierte Vortragstätigkeit haftet dem Kandidaten immer noch an. Seine bisweilen knurrige, sarkastisch-arrogante Art kommt überdies bei der Mehrheit der Deutschen nicht gut an; in Umfragen rangiert der Herausforderer weit abgeschlagen hinter Angela Merkel - ohne Aussicht auf eine Trendwende.

Seine verbalen Aussetzer im Monatsrhythmus haben Steinbrücks Chancen auch nicht gerade erhöht; mitunter musste man sich besorgt fragen, ob der Kandidat unter einem politischen Tourette-Syndrom leidet. Das vergleichsweise linke Wahlprogramm der SPD will auch nicht recht zum wirtschaftsfreundlichen Kanzlerkandidaten passen - Steinbrücks Lippenbekenntnisse dazu wirken aufgesetzt und wenig authentisch.

Für viele SPD-Stammwähler ist Steinbrück somit kein wirklich glaubwürdiger Vertreter der sozialdemokratischen Kernkompetenz „Soziale Gerechtigkeit“. Kaum aber ist das mediale Getöse um Steinbrücks Stolperstart verraucht, legen SPD und Grüne nach. Erst machen die Grünen mit Steuerhöhungen Furore, dann fordert Sigmar Gabriel ein Tempolimit auf deutschen Autobahnen.

Die auf dem Parteitag der Grünen beschlossenen Steuerhöhungen belasten nach jüngsten Berechnungen nicht nur Spitzenverdiener und Reiche, sondern auch breite Teile der besserverdienenden Mittelschicht. Der grüne Aderlass mit Ansage würde damit die eigene, klassisch grüne Klientel zur Kasse bitten. Diese wird es sich aber zweimal überlegen, Grün zu wählen, wenn es an den eigenen Geldbeutel geht.

Gabriels Vorstoß für ein Tempolimit auf Autobahnen, den er inzwischen wieder weitgehend zurückgenommen hat, ist der tollpatschige Schlussstein einer Serie aus Pannen, Ungeschicklichkeiten und Fehltritten im Wahlkampfjahr 2013. Denn beim Thema Geld und beim Autofahren hört der Spaß definitiv auf: Wer sich Autofahrer und Steuerzahler zum Gegner macht, legt sich letztlich mit dem ganzen Land an.

Die Grünen-Forderung, den Benzinpreis auf fünf DM pro Liter zu erhöhen, führte 1998 zu einem Sturm der Entrüstung, von dem sich die Partei im Bundestagswahlkampf nur mühsam erholte. Die Ankündigung von Steuererhöhungen zur Finanzierung von Bildung und Infrastruktur mag ehrenwert und ehrlich sein - Wahlen, das hat die Vergangenheit gezeigt, wird man damit aber kaum gewinnen.

Der Wahlkampf 2005 hat offenbart, wie man Wähler mit der Ankündigung von Steuererhöhungen verschreckt. Die CDU plante damals, die Mehrwertsteuer um zwei Prozentpunkte zu erhöhen. Dieses Vorhaben erwiderte die SPD mit dem Slogan „Zwei Prozent Merkelsteuer auf alles“ und bescherte der Union damit ein massives Wahlkampfproblem. Am Ende wurde die Steuer um drei Prozent erhöht. Nun ja.

Jetzt fragt man sich natürlich, ob Rot-Grün die anstehende Wahl wirklich gewinnen will und nicht insgeheim bereits auf die Nach-Merkel-Ära 2017 setzt. Die Kanzlerin glänzt derweil mit einem unprätentiös-präsidialen Regierungsstil und dürfte sich über die rot-grünen Pannen freuen. Die Opposition als Steuererhöher bloßzustellen - mit derlei Wahlkampfhilfe hätte man im Adenauer-Haus wohl im Traum nicht gerechnet. 

Samstag, 4. Mai 2013

Über den Wolken


Über den Wolken
Wie Cloud Working die Arbeitswelt revolutionieren könnte

Nutzen auch Sie inzwischen die Vorteile des Cloud-Computing? Insbesondere Apple-Kunden konnten in den vergangenen Jahren die Vorteile der „iCloud“ kennen lernen. Alle Geräte des Users sind dabei durch einen externen Datenserver, die Cloud, miteinander verbunden. So steht z.B. ein Adressbucheintrag in wenigen Sekunden durch Daten-synchronisation auf „MacBook“, „iPad“ oder „iPhone".

Die Idee des Cloud-Computing ist ebenso simpel wie nützlich: Der automatische Datenabgleich erspart Doppeleingaben und damit jede Menge Zeit; auf Wunsch werden Inhalte von Notebooks oder Smartphones jeden Abend in der Cloud gesichert. Bei Verlust oder Diebstahl lässt sich auf einem neuen Gerät der alte Zustand ohne jeden Datenverlust im Nu wiederherstellen.

Vorteilhaft ist es auch Fotos, Videos, Musik oder Dokumente in der Cloud abzulegen; denn die Daten stehen „in der Wolke“ jederzeit zur Verfügung und können mit einem internetfähigen Gerät von unterwegs abgerufen werden. Daten aus der Cloud können natürlich auch mit anderen Nutzern geteilt werden, so dass auch Kollegen oder Familienmitglieder jederzeit auf den Online-Speicher zugreifen können.

Das Cloud-Computing basiert dabei auf dem Prinzip, dass IT-Dienste, wie etwa Hardware, Software oder Datenspeicher online über ein Netzwerk bereitgestellt werden. Auf den Bereich der Arbeitswelt übertragen nennt sich dieses Prinzip Cloud Working: Eigentlich firmeninterne Arbeiten werden in die externe Cloud ausgelagert, um dort von freien Mitarbeitern kostengünstig und schnell abgearbeitet zu werden.

Nicht nur einfachere Tätigkeiten wie Recherchen oder Übersetzungen werden über eine Internet-Plattform an die Cloud Worker übertragen, auch anspruchsvollere Arbeiten können von Projektteams, die in einer „Talent Cloud“ zusammenarbeiten, gelöst werden. Das kann bei freier Zeiteinteilung zumeist bequem von zuhause aus erledigt werden - die Arbeit in der Cloud erfordert keine Anwesenheit im Büro mehr.

Alles in Butter also? Wohl kaum. Denn bei genauerem Hinsehen offenbaren sich die gravierenden Nachteile des Cloud Working sehr schnell. Cloud Worker treten quasi in Echtzeit und in globaler Konkurrenz gegeneinander an; das „Human Resources Outsourcing“ sorgt dabei nicht nur für Lohndumping bei den „Wissensarbeitern“ im Netz, sondern hält auch alle Nachteile einer unsicheren Freelancer-Existenz bereit.

So zahlen die Auftraggeber für die Cloud-Worker keinerlei Sozialabgaben, Renten- und Krankenversicherungsbeiträge, der Arbeitnehmer trägt alle Risiken selbst. Für die meisten Tätigkeiten des Cloud Working ergeben sich Stundenlöhne, die zwischen 2 und 9 Euro liegen. Auf diese Weise wächst ein digitales Prekariat heran, das von „taz.de“ vor einiger Zeit zutreffend als „Die traurigen Tagelöhner“ bezeichnet wurde.

Das digitale hire and fire ohne jede Verpflichtung hat für die Firmen große Vorteile: Freie, flexible Belegschaften erledigen anfallende Arbeiten schneller und vor allem kostengünstiger als feste Mitarbeiter. Durch die wirtschaftliche Auslagerung von Arbeit in die Cloud gehen allerdings feste Arbeitsplätze verloren; globale Dumping-Arbeitsverträge unterlaufen überdies nationale Lohnregelungen und Tarifverträge.

„Über den Wolken muss die Freiheit wohl grenzenlos sein“ sang Reinhard Mey dereinst. Die realen Arbeitswolken von heute haben für die virtuell Beschäftigten zwar jede Menge Freiheit aber eben auch Hungerlöhne parat. Kein Zweifel: Cloud Working ist das kommende „Big Thing“. Man muss nur aufpassen, dass die nächste Revolution in der Arbeitswelt nicht auch zu einer zu einer massiven Pervertierung der Freiberuflichkeit führt.