Sonntag, 16. Februar 2014

Politik und Gier

Politik und Gier
Die neuerliche Diätenerhöhung wird die Politikverdrossenheit weiter anheizen

Es gibt ein verbreitetes Vorurteil im Land. Es lautet: „Die da oben wirtschaften immer zuerst in die eigene Tasche.“ Mit „die da oben“ sind zumeist die Politiker gemeint, die in der populistischen Sichtweise ihre gesellschaftliche Spitzenstellung dazu missbrauchen, sich die Taschen vollzustopfen. Viele Menschen im Land denken so und urteilen damit pauschal über die politische Klasse. Aber ist dem auch tatsächlich so?

Fakt ist: Die erste politische Großtat der schwarz-roten Koalition wird in der erneuten Anhebung der Diäten bestehen. Diese sollen zum 1.7.2014 um 415 Euro auf dann 8.667 Euro steigen; der zweite Schritt der „Diätenanpassung“ ist nach Neujahr fällig. Ab 1.1.2015 steigen die Bezüge der Volksvertreter noch einmal um 415 Euro auf somit 9.082 Euro. Binnen Jahresfrist steigen die Diäten also um 10 Prozent.

Die Abgeordnetenbezüge erhöhen sich damit um einen Betrag von 830 Euro; so mancher Rentner bringt es selbst nach 30 Versicherungsjahren nicht auf dieses Niveau. Zu alldem gesellt sich noch eine steuerfreie Kostenpauschale von derzeit 4.123 Euro mit der die Parlamentarier laufende Auslagen sowie ihr Bundestagsbüro finanzieren. Von einer „Diät“ im Sinne von „Maßhalten“ kann also keine Rede sein.

Fast zur gleichen Zeit hatte Bundesinnenminister Thomas de Maizière die Verdi-Forderung nach einer Lohnerhöhung im öffentlichen Dienst von 3,5 Prozent als „maßlos überzogen“ zurückgewiesen. De Maizière rief im selben Atemzug zu mehr Lohnbescheidenheit auf. Moment mal: Zehn Prozent für Abgeordnete sind okay - 3,5 Prozent für die Staatsbediensteten sind es nicht? Da stimmt doch was nicht.  

Die Abgeordneten sind die wahrscheinlich einzige Berufsgruppe im Land die eigenmächtig über die Höhe ihrer Bezüge entscheidet. Durch die Anpassung sollen die Diäten an die Bezüge beamteter Bundesrichter gekoppelt werden. Doch mit welchem Recht? Bundesrichter sind zumeist erstklassige Juristen; sie haben eine qualifizierte Ausbildung durchlaufen und große Berufserfahrung erlangt.

Das lässt sich längst nicht von allen Abgeordneten sagen. Das hohe Gehalt der Richter soll nicht zuletzt deren Unabhängigkeit sicherstellen; Richter haben - im Gegensatz zu vielen Abgeordneten - auch keine Nebeneinkünfte. Die Vergleichsgröße „Bundesrichter“ ist also aus der Luft gegriffen. Der Staatsrechtler Hans Herbert von Arnim hält das geplante Diätengesetz nicht zuletzt deshalb für verfassungswidrig.

Um es klar zu sagen: Politiker sollen gut und angemessen bezahlt werden. Aber genau daran hapert es. Die aktuelle Diätenerhöhung ist an selbstgefälliger Maßlosikgeit kaum zu überbieten. Insbesondere vor dem Hintergrund der abgelehnten Verdi-Forderung erscheint die Diätenerhöhung als bodenlose Frechheit. Viele Politiker der Großen Koalition haben offenbar jeden Bezug zur Realität verloren.

Wie war das noch? „Die da oben wirtschaften immer zuerst in die eigene Tasche.“ Stimmt. Das vermeintliche Vorurteil wird durch die zügellose Gier vieler Politiker derzeit auf übelste Weise bestätigt. Die Diätenerhöhung wird nicht nur die Politikverdrossenheit weiter anheizen. Schlimmer noch: Sie wird zur weiteren Politikerverachtung beitragen die schlimmstenfalls zur Erosion der Demokratie führen kann.  

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