Samstag, 5. April 2014

„Wer unsere Grenze nicht respektiert, bekommt die Schusswaffe zu spüren“

„Wer unsere Grenze nicht respektiert, bekommt die Schusswaffe zu spüren“
Vor 25 Jahren hob die DDR den Schießbefehl an der innerdeutschen Grenze auf

In einem Menschenleben sind 25 Jahre gemeinhin eine lange Zeit. Die Zeitläufte der Geschichte lenken ihre Bahnen freilich in größeren Zyklen - aus der Perspektive der Geschichtsschreibung sind 25 Jahre eine eher kurze Zeitspanne. Vor diesem Hintergrund mag man es kaum glauben, dass noch vor einem Vierteljahrhundert zwei deutsche Staaten in „friedlicher Koexistenz“ nebeneinander bestanden.

Zwei deutsche Staaten, die durch Mauer, Stacheldraht und Todesstreifen voneinander getrennt waren. Aus heutiger Sicht erscheint einem diese historische Tatsache fast schon unwirklich, zu sehr hat man sich an das wiedervereinigte Deutschland mittlerweile gewöhnt. Noch viel weniger wahr erscheint heute der Schießbefehl an der deutsch-deutschen Grenze, der jedoch harte Realität war.

Bereits 1952 wurde die innerdeutsche Grenze abgeriegelt, um die massenhafte Abwanderung der Bevölkerung in die wirtschaftlich attraktivere Bundesrepublik zu unterbinden. Am 13. August 1961 schloss die DDR auch das letzte offizielle Schlupfloch in den Westen: nach der Abriegelung der Sektorengrenze und dem Bau der Berliner Mauer erfolgte der massive Ausbau der Grenzanlagen in der DDR.

Der Eiserne Vorhang wurde mit Elektrozäunen, Stacheldraht, Betonmauern, Zäunen, Wachtürmen, Minenfeldern und Selbstschussanlagen zementiert. Mit dem Grenzregime und der Errichtung eines Sperrgebietes zwischen Ost und West sollten „illegale Grenzübertritte“ auch durch den Einsatz von Schusswaffen verhindert werden. Die Überwindung des „antikapitalistischen Schutzwalls“ sollte tödlich enden.

Der Schießbefehl: Staatsterror im Zeichen von Hammer und Zirkel

Einen offiziellen schriftlichen Schießbefehl gab es zwar nicht, aber es existierten geheime Dienstvorschriften, die den Einsatz von Schusswaffen der Grenztruppen der DDR regelten. Zudem wurden die Grenzer mündlich auf den Gebrauch von Schusswaffen bei „Republikflucht“ eingeschworen. „Wer unsere Grenze nicht respektiert, bekommt die Schusswaffe zu spüren“ so DDR-Verteidigungsminister Heinz Hoffmann.  

Durch die innerdeutsche Grenze wurde ein ganzes Volk für ein gewaltiges, sozialistisches Experiment in Geiselhaft genommen und eingesperrt. Der heutige Bundespräsident und frühere Bürgerrechtler Joachim Gauck hat dafür den treffenden Begriff der „Staatsinsassen“ geprägt. Diese „Staatsinsassen“ wurden letztlich gewaltsam daran gehindert ihr Land als freie Bürger zu verlassen.

Die Bilanz des DDR-Grenzregimes ist auch heute noch erschütternd: Mehr als 1000 Menschen kamen bei Fluchtversuchen an der innerdeutschen Grenze ums Leben, viele davon wurden erschossen, andere ertranken in Elbe, Spree oder Ostsee. Allein an der Berliner Mauer wurden 136 Menschen bei ihrem Fluchtversuch in die Freiheit getötet. Erst im April 1989 wurde der Schießbefehl aufgehoben.

Nach der Unterzeichnung des Wiener KSZE-Abkommens im Januar 1989 geriet die DDR durch den Schießbefehl unter starken internationalen Druck. Auch im von Glasnost und Perestroika geprägten Moskau fürchtete man bei weiteren Mauertoten um Ansehen und internationales Prestige. Am 3. April 1989 hob die DDR den Schießbefehl schließlich auf dessen Existenz offiziell bis zuletzt geleugnet wurde.

Die Aufhebung des Schießbefehls war ein Mosaikstein auf dem Weg zur deutschen Einheit: Nur sieben Monate später, am 9. November 1989, fiel die Mauer.
  

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