Montag, 15. Juni 2015

Der Beinahe-Untergang

Der Beinahe-Untergang
Bundesliga-Historie: Der HSV weckte zuletzt Erinnerungen an Tasmania Berlin

Fast wäre es passiert: Der einstmals große HSV, mehrmaliger Meister und Pokalsieger, Europapokalsieger der Landesmeister, Gründungsmitglied der Fußball-Bundesliga und in beinah 52 Jahren niemals abgestiegen, hätte nach einer desaströs schlechten Saison beinah den Gang in die 2. Liga antreten müssen. Und das, obwohl der Verein zuvor mit Millioneninvestitionen in neue Spieler verstärkt worden war.  

Zwischenzeitlich schoss der „Dino“ der Liga so wenige Tore, dass Erinnerungen an die grottenschlechte Tasmania aus Berlin wach wurden. Der Neuköllner SC Tasmania 1900 Berlin spielte in der Saison 1965/66 in der höchsten deutschen Spielklasse. Durch die ständigen Negativvergleiche mit dem HSV wollte ich es einmal genau wissen und bin in die Historie von Tasmania Berlin eingetaucht.

Der DFB entschied im Juli 1965 Tasmania in die Bundesliga aufzunehmen. Grund dafür waren finanzielle Probleme des Stadtrivalen Hertha BSC Berlin (es ging um einen aus heutiger Sicht läppischen Fehlbetrag von 192.000 DM). Hertha wurde vom Spielbetrieb ausgeschlossen. Aufgrund der geringen Spielstärke Tasmanias erntete der politisch motivierte Entschluss des DFB jedoch bei vielen Bundesligisten Kritik.

Tasmania Berlin: schlechtester Club der Ligageschichte

Der Kader von Tasmania erwies sich schnell als nicht konkurrenzfähig: In 34 Ligaspielen konnten die Berliner nur zwei Siege erringen; Tasmania schoss nicht nur die wenigsten Tore (15), der Club kassierte auch die meisten Gegentreffer (108) und errang infolgedessen die wenigsten Punkte (8). Kein Wunder also, dass Tasmania Berlin bis heute der erfolgloseste Verein der Bundesligahistorie ist.

Doch Tasmania stellte weitere Negativrekorde auf: Der Club erlitt die höchste Heimniederlage (0:9 gegen den Meidericher SV), bestritt das Bundesligaspiel mit den wenigsten Besuchern (827) und belegte den letzten Platz in der Ewigen Bundesliga-Tabelle. Tasmanias Abstieg war daher nur folgerichtig. 1973 ging Tasmania schließlich bankrott, wurde später aber als SV Tasmania Berlin neugegründet.

Heimstatt von Tasmania:
Der Werner-Seelenbinder-Sportpark in Berlin-Neukölln

Soweit die Geschichte von Tasmania Berlin. Die hochbezahlten Kicker vom HSV waren in dieser Saison mit 16 erzielten Toren in der Hinrunde und einem 0:8 gegen Bayern München zwar nur fast so schlecht wie Tasmania; durch die beispiellose Misswirtschaft der Vereinsführung (drei verschlissene Trainer!) konnte der Absturz in die Zweitklassigkeit am Ende aber nur knapp in der Relegation verhindert werden.  

Das Getue um die Stadionuhr, welche die Zugehörigkeit des HSV zur ersten Liga als Alleinstellungsmerkmal dokumentiert, sowie das ständige Gerede vom „Dino“ der Liga mussten sich überdies irgendwann einmal rächen: Wer ständig damit hausieren geht, dass er seit 30 Jahren unfallfrei Auto fährt, fordert sein Schicksal geradezu heraus und landet just am nächsten Baum. Genau das wäre dem HSV nun fast passiert.

Spielerisch war der HSV in der abgelaufenen Saison derart schwach, dass der Abstieg sportlich verdient und mithin gerecht gewesen wäre. Aber im Leben gibt es nun mal keine Gerechtigkeit und in einer ergebnisorientierten Sportart wie Fußball sowieso nicht. Glück und Zufall geben oft den Ausschlag. Ob der HSV sich in Zukunft stabilisiert oder weiter auf den Spuren von Tasmania Berlin wandelt bleibt indes offen.