Samstag, 23. März 2013

Ein Single kommt selten allein


Ein Single kommt selten allein
Single-Dasein und Vereinzelung nehmen stark zu

Jeder, der schon einmal eine Weile allein gelebt hat, kennt wohl dieses Gefühl: Man kommt von der Arbeit nach Hause und würde sich gern mit einem geliebten Menschen über die Geschehnisse des Tages austauschen, alltägliche Sorgen und Nöte teilen. Doch da ist niemand.

Für jeden fünften Deutschen ist dieses Szenario eine vertraute Realität. Denn rund 16 Millionen Menschen leben als Single in einem Einpersonenhaushalt, das sind 40 Prozent mehr als im Jahr 1990. Es gibt ganz offenkundig eine Tendenz zur Vereinzelung: Alleinsein wird zunehmend zu einem Massenphänomen.

Der Soziologe Stefan Hradil hat das Einzelkämpfer-Dasein einmal als „riskante Lebensform“ beschrieben. So haben sich die meisten Singles mit ihrer Situation arrangiert und sind gut vernetzt - sie haben mehr Freunde und Bekannte als Verheiratete. Aber die psychische Situation von Singles, die schon lange allein leben, ist oft instabil.

Vielen Singles geht ihre Unabhängigkeit über alles und ihnen sind persönliche Freiheit und berufliche Karriere wichtiger als eine erfüllte Partnerschaft. Andere sind schlicht „Opfer“ eines flexiblen Arbeitsmarktes - sie sind zwar beruflich mobil im Sinne eines „heute dort, morgen fort“ - deswegen aber auch oft ohne Partner.

Anders als in früheren Zeiten stellt das Singlesein heute keinen Makel mehr dar. Wo in der Vergangenheit „Junggesellen“ und „alte Jungfern“ als Übriggebliebene schon mal belächelt und verspottet wurden hat ihre Unabhängigkeit sowie ihre schiere Präsenz in der Mitte der Gesellschaft heute zu neuer Anerkennung geführt.

Trotzdem kommen sich viele Menschen unvollkommen vor, wenn sie keinen Partner haben. Insbesondere der sonntägliche Spaziergeh-Paar-Terror kann den gewöhnlichen Single zur Verzweiflung treiben und die innere Stabilität auf eine schwere Probe stellen: Singles wandeln zuweilen auf einem schmalen Grat.

Dabei ist das Single-Dasein keine Erfindung der Moderne. Menschen waren zu allen Zeiten und in allen Kulturen ohne Partner; sie haben aber nicht zwangsläufig auch allein gelebt, sondern waren zumeist in die Familien integriert. Der allein lebende, autarke Single ist tatsächlich ein Phänomen der modernen Lebenswelt.

Für nicht wenige Singles stellt das Alleinsein trotz eines mitunter großen Freundeskreises das alles beherrschende Lebensthema dar. Soziale Netzwerke, Singlebörsen und professionelle Partnervermittlungen profitieren mit ihren Online-Angeboten von diesem gesellschaftlichen Trend zu Vereinzelung und Einsamkeit.

Der Dramatiker Heinrich von Kleist hat früh erkannt, dass die Menschen nicht dauerhaft für das Alleinsein geschaffen sind. In seinem Stück Amphitryon verleiht er der Sehnsucht nach einem anderen Menschen Ausdruck, indem er Jupiter sagen lässt: „In ew'ge Schleier eingehüllt, möcht er sich selbst in einer Seele spiegeln.“

Jupiters Klagelied gipfelt in dem ergreifenden Satz: „Auch der Olymp ist öde ohne Liebe“. Jupiter hatte das Single-Dasein wohl ziemlich satt. Der Begriff „Single“ steht zwar erst seit 1993 im Duden und Kleist kannte ihn infolgedessen nicht. Und doch wusste er schon damals, wovon er sprach. 

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